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Der folgende Bericht erschien am Samstag 11. November 1996 in der "Neue Zürich Zeitung".
Der Verein "Königlicher Winterbadeclub Zürichsee" gefällt uns dermassen gut, dass wir den Zeitungsbericht an dieser Stelle einfach veröffentlichen müssen!

Der König und sein Hof beim winterlichen Bad

Porträt eines skurrilen (schregen?) Zürcher Clubs

Wenn die Saison der Zürcher Freibäder im Herbst zu Ende geht, beginnt jene des Königlichen Winterbadeclubs Zürichsee. Von Oktober bis April treffen sich seine Mitglieder wöchentlich zum gemeinsamen Bad im Strandbad Utoquai. An der Spitze des Vereins steht ein König

di. Eine dünne Schneeschicht liegt über dem Strandbad Utoquai. Die hölzernen Liegeflächen, auf denen im Sommer Blicke ausgetauscht werden und sich Liebespaare zum Sonnenbad treffen, sind menschenleer. Das Utoquai ist an diesem grauen Wintertag ein trostloser Ort. Doch nicht für den Königlichen Winterbadeclub Zürichsee: Hier treffen sich seine Mitglieder wöchentlich zum gemeinsamen Bad. Bei jedem Wetter und jeder Temperatur steigen sie ins Wasser, selbst bei Schnee und klirrender Kälte. Das kälteste Bad soll bei 2 Grad Wassertemperatur und minus 18 Grad Lufttemperatur stattgefunden haben. Der Verein ist kein gewöhnlicher Schwimmverein, dessen Mitglieder kaltes Wasser bevorzugen.

Das Bemerkenswerte ist seine Struktur, eine Art Monarchie. Seine Mitglieder - ein Lehrer, ein Umweltnaturwissenschafter, ein als Koch arbeitender Wirtschaftswissenschafter und zwei Aerzte - sind im Winterbadeclub König, Hofmarschall, Ministerpräsident und Hofeunuch. Regiert wird der Verein vom König, der laut Statuten "von Gottes Gnaden" eingesetzt und unabsetzbar ist. Auf die Frage, warum der Winterbadeclub monarchisch organisiert sei, meint der König schmunzelnd, es entziehe sich seiner Kenntnis, weswegen "Gott ihn als König eingesetzt" habe.

Unter der Leitung des Hofeunuchen - des jeweils jüngsten Mitglieds des Vereins - wird geturnt; das Utoquai wird zum Hindernisparcours: Treppe hoch, Treppe runter, dann ein Spurt über den Holzrost. Noch sind alle bis zum Hals vermummt. Doch dann gilt es ernst: Der König und sein Hof streifen sich die Kleider vom Körper, und innert weniger Sekunden sind alle im Wasser. Beim Einstieg dürfe man nicht zögern, sonst schaffe man es nicht, erklärt ein Hofmarschall. Normalerweise schwimmen alle um das Floss und wieder zurück. Nach dem Bad wärmen sie sich im Cafe Urban auf, dessen Wirt Rolf Meisser den skurrilen Verein in sein Herz geschlossen hat. Er bringt Tee und das Vereinsbuch, in das jedes Bad eingetragen wird. Einmal im Jahr lädt er alle Vereinsmitglieder mitsamt Ehefrauen oder Freundinnen zum Nachtessen ein.

Das offizielle Zürich hatte mit dem Königlichen Winterbadeclub zunächst Schwierigkeiten: Regelmässig erschien die Seepolizei und forderte die sich damals noch unerlaubterweise im Utoquai aufhaltenden Clubmitglieder zum Verlassen der Anlage auf. Einmal sei der ganze Verein in corpore abgeführt und in eine Arrestzelle gesteckt worden, erzählt ein Hofmarschall; erst nach Einzelverhören seien sie wieder freigelassen worden. Ein anderes Mal habe die Seepolizei nicht ge- glaubt, dass die Eindringlinge nur baden wollten, so sei man gezwungen gewesen, vor den Augen der Seepolizei zu baden. Mittlerweile habe sich der Königliche Winterbadeclub mit den Institutionen aber ausgesöhnt. Gegen eine Gebühr von 150 Franken pro Winter stellt die Stadt einen Schlüssel zur Verfügung, ein Akt der Toleranz des demokratischen Zürich gegenüber der Miniaturmonarchie.

Begonnen haben die Clubmitglieder mit dem Winterbaden im Jahr 1983, als sie noch die Kantonsschule besuchten. Bald sei das winterliche Bad zur Tradition geworden, die schliesslich zur Vereinsgründung im Jahr 1990 geführt habe. Für die einen Mitglieder steht die Geselligkeit im Vordergrund, für die anderen die meditativen Aspekte eines Winterbads. Eine weitere Motivation für das Winterbaden führt "Seine Durchlaucht" höchstpersönlich und nicht ohne Pathos an: In einer Welt, in der viele nur bei Aussicht auf Erfolg und Prestigegewinn sich zu überwinden bereit seien, tue es gut, sich gelegentlich ohne Nutzen zu überwinden.


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Last Updated Tue Apr 25, 2000 - Click!
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